Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

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ReliAnt

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#9 Re: Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

Beitrag von ReliAnt » 15. Oktober 2019, 11:39

Dass die Nahrungsaufnahme der Kolonie unmittelbar mit deren derzeitigem Status und Insbesondere Verbrauch zusammenhängt, dürfte gleichermaßen unstrittig wie bewiesen sein.

Es muss ja nicht jeden gleichermaßen interessieren und ich bin nicht im Bilde darüber, wer die gesamte Studie gelesen hat, aber ich finde eben folgende Fragestellung interessant:

Wenn Ameisen in Zeiten von Futterknappheit oder genauer in diesem Fall Makronährstoffmangel nur bedingt ihre Aufnahme selektieren und in der Absicht für eine ausreichende Menge an Kohlenhydraten eine gewisse Intoxikation der Gesamtkolonie mit Proteinen in Kauf nehmen, wird dies wahrscheinlich negative Folgen für weiselose wie auch für intakte Kolonien haben @ Serafine.

(vgl.: „ Similarly, when colonies were exposed to the high-protein diet, more ants were observed in the foraging arena (Fig. 3), more workers were engaged in feeding (Fig. 4A) and food collection increased (Fig. 4B), presumably in an effort to maintain a constant carbohydrate intake, but at the cost of incidentally increasing protein supply to the nest“)

Versuche hier nichts zu beweisen sondern teile nur die Gedanken in einer Tiefe und anhand einer mehr oder weniger wissenschaftlichen Basis von denen ich denke, dass wir hier von derartigen Themen zu wenige haben und gemeinsam profitieren können.

In diesem Sinne:
Ein jeweils ausgewogenes Nahrungsangebot (man könnte auch sagen eine Bringschuld) in der Haltung ist also vermutlich entscheidender als ich bisher dachte, da die Speichermöglichkeiten der Sozialmägen überschätzt werden könnte, der selektive Nahrungsaufnahmetrieb überschätzt werden könnte („sie nehmen nur oder vorwiegend was sie brauchen“ stimmt eben ggf. nicht) und Makronährstoffmangel offenbar zu Task-Verschiebungen führt die das Gleichgewicht stören oder mindestens eine energieintensive Adaption erfordern.

Und das bringt mich dann wieder zurück zur Frage, welche genaueren Orientierungen für ein P:C-Ratio in der Haltung (von meinetwegen Lasius niger um bei den Studienresultaten zu bleiben) es eben geben könnte abgesehen von der Binsenweisheit, dass eine Kolonie mit Brut mehr Protein benötigt.

Viele Grüße,
ReliAnt



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Serafine

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#10 Re: Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

Beitrag von Serafine » 15. Oktober 2019, 19:11

ReliAnt hat geschrieben:Wenn Ameisen in Zeiten von Futterknappheit oder genauer in diesem Fall Makronährstoffmangel nur bedingt ihre Aufnahme selektieren und in der Absicht für eine ausreichende Menge an Kohlenhydraten eine gewisse Intoxikation der Gesamtkolonie mit Proteinen in Kauf nehmen, wird dies wahrscheinlich negative Folgen für weiselose wie auch für intakte Kolonien haben @ Serafine.

[...]

Und das bringt mich dann wieder zurück zur Frage, welche genaueren Orientierungen für ein P:C-Ratio in der Haltung (von meinetwegen Lasius niger um bei den Studienresultaten zu bleiben) es eben geben könnte abgesehen von der Binsenweisheit, dass eine Kolonie mit Brut mehr Protein benötigt.

Und inwiefern ist das jetzt für Bedeutung für den "Standard-Ameisenhalter", der wie in der Haltung üblich Protein in Form von Insekten und Zucker in Form von Zuckerwasser ohnehin getrennt anbietet?
Damit es hier überhaupt zu ernsthaften Problemen kommen kann müsste man ja die Futterinsekten zusammen mit dem Zuckerwasser (oder was auch immer man für die Kohlenhydratversorgung nutzt) in einen Mixer werfen und zu einem gleichmäßigen Brei verarbeiten. Da ist es viel wahrscheinlicher, dass die Ameisen aufgrund einseitiger Ernährung (z.B. immer nur Mehlwürmer oder eine bestimmte künstliche Nahrungsmischung) in eine Mangelernährung geraten, die mit dem Kohlenhydrat-Protein-Verhältnis aber absolut garnichts zu tun hat, sondern durch ein Defizit an bestimmten Vitaminen oder Aminosäuren ausgelöst wird.

p.s. Bei meinen Camponotus bin ich mir übrigens absolut sicher dass das Verhältnis sehr sehr weit weg von 1:5 ist und wahrscheinlich eher im Bereich jenseits von 1:20+ rangiert.



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#11 Re: Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

Beitrag von ReliAnt » 16. Oktober 2019, 19:01

Serafine hat geschrieben:Und inwiefern ist das jetzt für Bedeutung für den "Standard-Ameisenhalter", der wie in der Haltung üblich Protein in Form von Insekten und Zucker in Form von Zuckerwasser ohnehin getrennt anbietet?

Nichts für ungut, aber hast Du den Eindruck, dass diese Fragestellung für den "Standard-Ameisenhalter" gedacht ist?

Serafine hat geschrieben:Da ist es viel wahrscheinlicher, dass die Ameisen aufgrund einseitiger Ernährung (z.B. immer nur Mehlwürmer oder eine bestimmte künstliche Nahrungsmischung) in eine Mangelernährung geraten, die mit dem Kohlenhydrat-Protein-Verhältnis aber absolut garnichts zu tun hat, sondern durch ein Defizit an bestimmten Vitaminen oder Aminosäuren ausgelöst wird.

100% zynismus-freie Frage: Welche Aminosäuren aus der Ansammlung tierischer Proteine und welche Vitamine könnten denn fehlen?

Serafine hat geschrieben:p.s. Bei meinen Camponotus bin ich mir übrigens absolut sicher dass das Verhältnis sehr sehr weit weg von 1:5 ist und wahrscheinlich eher im Bereich jenseits von 1:20+ rangiert.


Das würde bei der Verfüttung von Grillen als Futtertier mit 69% Eiweißgehalt und einer Masse von nur 1 g / Tier bedeuten, dass:

Deine Kolonie für jede Grille ca. 0,7g/g x 1g *Faktor20 = 14 g reinen Zucker (gerechnet mit faktischem KH-Gehalt von 100%) vertilgt.

Wenn Du also 10 große Steppengrillen à 1 gramm verfütterst, würden Deine Ameisen im gleichen Zeitraum 140g reinen, kristallinen Zucker aufnehmen.


Als Fehlerkorrektur da ich nicht weiß welche Futtertiere Du verfütterst und es ja auch Mehlwürmer, Maden etc. mit weniger Proteingehalt und mehr Kohlenhydratgehalt als Grillen (Grillen haben so gut wie keine KH's) sein könnte nehm ich mal 30% Fehler in der Rechnung an. Bleiben ca. 100g Zucker pro 10 Grillen. Andererseits schreibst Du Faktor 20+...

Mir erschien der Faktor 1:5 schon recht hoch aber vorstellbar.
Er bedeutet ein Äquivalent von ((0,7g/g x 1 g x Faktor5 x 1000ml)/1970g) = 1,8 ml Zuckerwasser pro großer Grille von einer bei 20°C maximal gesättigten Zuckerlösung wie man sie in der Haltung wohl eher selten finden wird, da sie beim kleinsten Abdampfen von Wasser sofort auskristallisiert und Feeder unbrauchbar macht.

Aber Faktor 20+ wie Du es schreibst?
Also ein Äquivalent von 14 gramm in gleicher Zeit verspeistem, reinen Zucker pro verfütterter Grille?
Das wären beim deutschen, handelsüblichen Zuckerwürfel mit Gewicht von 3 g/Würfel ca. 5 Zuckerwürfel pro verfütterter Grille...

Das erscheint doch unmöglich, oder?
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#12 Re: Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

Beitrag von Serafine » 16. Oktober 2019, 22:01

ReliAnt hat geschrieben:Nichts für ungut, aber hast Du den Eindruck, dass diese Fragestellung für den "Standard-Ameisenhalter" gedacht ist?

Kennst du jemanden der seine Futtertiere mit Zuckerwasser zu einem Brei püriert?

Serafine hat geschrieben:100% zynismus-freie Frage: Welche Aminosäuren aus der Ansammlung tierischer Proteine und welche Vitamine könnten denn fehlen?

Keine Ahnung welche Vitamine, Aminosäuren und Mineralstoffe genau in den Mangelbereich rutschen könnten, aber da die meisten Ameisen in der Natur einen extrem breiten Speiseplan haben liegt die Vermutung nahe, dass jahrelange einseitige Ernährung für sie wohl kaum gut sein kann. Und nein, das heißt nicht dass die Ameisen eingehen müssen - ein Mensch könnte sich theoretisch ja auch zwei Jahre lang von Cola und Erdnussflips ernähren und überleben, ob das sonderlich gesund ist darf aber angezweifelt werden.

Serafine hat geschrieben:Wenn Du also 10 große Steppengrillen à 1 gramm verfütterst, würden Deine Ameisen im gleichen Zeitraum 140g reinen, kristallinen Zucker aufnehmen.

Ah, kleiner Fehler meinerseits - bin vom Zuckerwasser ausgegangen, nicht vom Zucker selbst. Da könnte 1:5 zeitweise tatsächlich hinkommen, wobei der Proteinverbrauch immer extrem schwankt.



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#13 Re: Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

Beitrag von ReliAnt » 16. Oktober 2019, 23:24

Hallo Serafine,
danke für Deine Antwort.
Nebenbei bemerkt: In Deiner Antwort sind die Namen in den gesetzten Quotes wohl versehentlich teils vertauscht.

Serafine hat geschrieben:[...] aber da die meisten Ameisen in der Natur einen extrem breiten Speiseplan haben liegt die Vermutung nahe, dass jahrelange einseitige Ernährung für sie wohl kaum gut sein kann.

Da stimme ich 100%tig zu und kein normal-denkender Mensch wird Dir da wiedersprechen.

Serafine hat geschrieben:Und nein, das heißt nicht dass die Ameisen eingehen müssen - ein Mensch könnte sich theoretisch ja auch zwei Jahre lang von Cola und Erdnussflips ernähren und überleben, ob das sonderlich gesund ist darf aber angezweifelt werden.


Auf jeden Fall darf man das anzweifeln.

Und genau das ist der Grund warum ich die Frage nach Orientierungen für eine wenn man so möchte "gesunde Ernährung" auch für ambitionierte Ameisenhalter interessant finde.

Wenn ein Mensch sich so ernährt (aktiv) halte ich das für Raubbau am eigenen Körper.
Wenn man einen Menschen so ernährt (passiv) halte ich das für Misshandlung.
Was ist es wenn man eine Ameisenkolonie (unbewusst) derart ernährt?

Ohne das mit dieser rhetorischen Frage gesagt ist oder ich beweisen kann, dass eine Nährstoffschieflage in mehr oder weniger der ingesamt gehaltenen Kolonien vorliegt.

Jedoch wird die Dunkelziffer von miss- oder mangelernährten Kolonien in dem als Haltung bezeichneten, mal aus valideren Gründen, mal aus niederen Gründen, mal ohne das über die Gründe wirklich nachgedacht wurde exerzierten Versuch, einem staatenbildenden Insekt im heimischen Wohnzimmer, Büro oder Schlafzimmer ein oftmals als naturnah oder artgerecht tituliertes "zuhause" zu geben, beträchtlich sein.

Eine romantische Vermenschlichung soll da nicht aufkommen und ich bin auch kein Sameriter, aber ich für meinen Teil kann Resumeé aus den vergangenen Tagen, der gelesenen Literatur und der Beschäftigung mit der Materie für den Moment wie folgt ziehen:

Konkrete Maßnahmen & Erkenntnisse von denen ich die meisten so zum ersten Mal klar verbalisiere:
1.) Wenn in der Arena seit längerer Zeit kein Zuckerwasser mehr vorhanden ist, werde ich bei der nächsten Fütterung nicht nur Insekten anbieten.
2.) Wenn ich seit längerer Zeit keine Insekten angeboten habe oder nicht konnte, werde ich kein zusätzliches Zuckerwasser anbieten und je nach Zeitpunkt der letzten Proteingabe das Zuckerwasser sogar aus der Arena entfernen.
3.) Der Faktor P:K 1:5 für junge Kolonien ohne viel Brut wie meine einheimische Solenopsis fugax oder meine kleinen Lasius Völker als Orientierung, nicht als Dogma, klingt für mich "feasible" und er ist mein derzeitiger "best guess" bis ich es besser weiß.
4.) Ich werde nochmehr als ohnehin für wechselnde Futtertiere/Proteinquellen sorgen bis hin zur seltenen Gabe von Geflügel- und auch Säugetierfleisch - ersteres biete ich schon heute an (vgl. in freier Wildbahn tote Vögel, Mäuse, Roadkills, Eidechsen etc.) - gefrohrene Mäuse können gekauft werden.
5.) Ich werde meine Futtertiere abwechslungsreich ernähren.
6.) Bis ich mehr über den Stoffwechsel von Ameisen weiß, werde ich versuchen als KH-Quelle nicht nur profane Saccharose anzubieten, sondern den Bedarf an KH auch durch noch mehr frisches Obst zu decken.
7.) Ich werde mich im nächsten Schritt über die Bedeutung von Spurenelementen und Vitaminen in der Ernährung von Ameisen informieren und erstes Wissen in diesem Gebiet sammeln.

Sicher gibt es andere Ansätze die erfolgreich sind und vielleicht erachtet man das ein oder andere als übertrieben, aber:
Bin eben mit dem Herzen dabei und auch das wirkt sich bei jedem Menschen anders aus - genau wie eine gute oder schlechte Ernährung :)

Viele Grüße,
ReliAnt



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#14 Re: Optimales Verhältnis Protein zu Kohlenhydrate

Beitrag von Serafine » 17. Oktober 2019, 00:59

ReliAnt hat geschrieben:Hallo Serafine,
danke für Deine Antwort.
Nebenbei bemerkt: In Deiner Antwort sind die Namen in den gesetzten Quotes wohl versehentlich teils vertauscht.

Hoppla. Da hab ich wohl das falsche Stück Code gelöscht :D

ReliAnt hat geschrieben:Auf jeden Fall darf man das anzweifeln.

Hab ja nicht ausgeschlossen, dass sie daran eingehen. Aber viele Ameisenarten sind zähe Biester, die auch mit suboptimaler Diät überleben (und einige machen das auch wohl in der Natur so, Prenolepis imparis ernähren sich in einigen Gebieten anscheinend fast ausschließlich von verendeten Regenwürmern, die sie nach jedem Unwetter an der Oberfläche aufsuchen).

ReliAnt hat geschrieben:Sicher gibt es andere Ansätze die erfolgreich sind und vielleicht erachtet man das ein oder andere als übertrieben, aber:
Bin eben mit dem Herzen dabei und auch das wirkt sich bei jedem Menschen anders aus - genau wie eine gute oder schlechte Ernährung :)

Dem stimme ich voll zu, finde auch dass man sich als Ameisenhalter um einen breiten Speiseplan der Kolonie bemühen und viel ausprobieren sollte. Die Ameisen zeigen einem dann schon was sie mögen und was nicht.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass Ameisen bei der Proteinversorgung sehr auf Abwechslung stehen, beim Zucker aber Konstanz bevorzugen (ich füttere sehr diverse Proteine, aber zur Kohlenhydratversorgung fast nur verdünnten Ahornsirup (gelegentlich mit zusätzlichem Zucker) oder Zuckerwasser - alles andere wird ohnehin wenig bis überhaupt nicht angenommen).
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