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von Frank Mattheis » 6. Februar 2006, 15:26
Hallo Boro,
das habe ich bei diesen Serviformica auch immer wieder beobachtet, gerade bei den cinerea. Bewohner grosser polkalischer Kolonieverbände dieser Art treten oft sehr selbstbewusst auf und greifen alles an, was erreichbar ist und ihre Aufmerksamkeit erregt. Selysi verhält sich ähnlich agressiv, bildet in den Alpen bei Sonthofen und Oberstdorf, dort habe ich die Art einige Zeit beobachten können, auch grössere Kolonieverbände. Ihre Kolonieverbände sind aber nie so riesig wie die der cinerea. Cinerea besetzte in Brandenburg, wo ich früher lebte, ganze Strassen und Gehwege in Ortschaften über mehrere hundert Meter, überall waren Eingänge und Nestaushub zu sehen und die Tiere von voneinander weit entfernten Nesteingängen verhielten sich freundschaftlich zueinander, wenn ich sie zusammenbrachte. Vorausetzung war natürlich eine durchgehende Besiedlung zwischen diesen Eingängen durch die Superkolonie. Cinerea unterschiedlicher Kolonien, die keinen Austausch miteinander pflegen, verhalten sich feindlich zueinander.
Diese Agressionsbereitschaft und Wehrhaftigkeit erspart diesen Arten wohl meist die Ausbeutung durch Sklavenhalter wie Raptiformica. Zwar fand ich hin und wieder auch cinerea als Sklaven in Raptiformica-Nestern, doch eher selten und vermutlich hatte die Raptiformica dann einzelne Pionierkolonien der cinerea überfallen. Grosse polykalische Kolonien der cinerea werden von Raptiformica nicht angegriffen, diese können selbst an der Peripherie der Superkolonie schnell alarmieren und viele wütende Verteidiger zusammenziehen.
Ich fand meist kaum Raptiformica-Kolonien in der unmittelbaren Nähe solcher cinerea-Superkolonien. Entweder waren diese verdrängt worden und abgewandert oder aber im Konkurrenzkampf untergegangen. Gelegenheiten für Raptiformica, in der Nähe solcher cinerea-Kolonien zu nisten, gibt es in Brandenburg zuhauf. Oft bewohnt cinerea breite, sonnige Sand- und Waldwege, dicht am Weg stehen dann schon Kiefernforste, die dann in unmittelbarer Nähe schon auch von fusca und anderen Arten bewohnt werden. Findet man hier Raptiformica, sind die Sklaven, soweit vorhanden, meist die fusca.
Die Raptiformica beuten dann offensichtlich eher die doch weniger ergiebigen und kleineren sowie verstreuten fusca-Kolonien aus und und sind zu diesem Zwecke im Hochsommer im lichten Kiefernwald "gewerblich" tätig.
Die sonst auch von den Raptiformica für die Besiedlung bevorzugten Waldwege und sandigen Lichtungen besetzen die cinerea. Erst mit einer zunehmenden Verbuschung verschwinden diese und das Habitat wird von Raptiformica, Formica und serviformica fusca erobert.
Die einzige Ameise, die sich meiner Beobachtung nach schon vorher massiv etablieren kann und sogar manchmal bei cinerea temp. sozialparasitisch gründet (...in Brandenburg sonst meist bei Raptiformica), ist Formica pratensis. Pratensis hat mit seinen dichtbelaufenen und eng markierten Transportstrassen zu den Nahrungsgründen für mich eine Sonderstellung innerhalb der Waldameisen. Ebenso wie cinerea bei den Serviformica, cinerea legt ebenfalls solche Strassen an, teilweise sogar untertunnelt und/oder als Hohlwege, dies tut so keine andere Serviformica.
Grüsse, Frank.