Ich kann es immer noch nicht ganz glauben, aber seit letztem Freitag leben meine
Camponotus ligniperda tatsächlich draußen in der Wildnis.
Erstmal zur vergangenen
Winterruhe. Mir ist leider ein dicker Patzer unterlaufen - und zwar habe ich nicht bedacht, dass das untere (neue) Nest, in welchem sich ein Großteil der Kolonie befand, eine höhere Verdunstungsrate hat, weil ich den Boden nicht mit Lehm bestrichen habe. Warum? Ich nahm wohl an, dass es keinen wirklichen Unterschied macht und den Boden sieht ja eh niemand.
Ich passte die Menge Wasser entsprechend der Größe des Nestes an und bewässerte es über den kleinen Schlauch, welcher zwischen den beiden Nestern zum Bewässerungstank des unteren Nestes führte. Normalerweise holte ich die beiden Nester zum Bewässern aus dem Kühlschrank und warf immer einen Blick in das obere, wo ich nichts auffälliges feststellen konnte - Ameisen in Winterstarre. Im Nest meiner
Raptiformica, welches ich ebenfalls nicht unten bestrichen habe, schien auch alles in Ordnung zu sein. Ein paar wenige Arbeiterinnen waren gestorben, was ich ungewöhnlich fand, aber kann ja vorkommen.
Erst, als ich irgendwann Anfang des Jahres das obere Nest der
Camponotus abnahm, wurde mir klar, dass es im unteren viel, viel zu trocken war. Um die 50 Arbeiterinnen waren gestorben und dafür konnte es nur einen Grund geben. Von da an habe ich sowohl das neue Nest der
Camponotus als auch das Nest der
Raptiformica sehr häufig und stark befeuchtet und nachdem nochmal weitere ~10 Arbeiterinnen bei den
Camponotus starben, gab es keine weiteren Verluste mehr. Dass ich aus Platzgründen die Nester diesmal nicht wie sonst im Gemüsefach sondern offen im Kühlschrank hatte, hat sicher ebenfalls die Verdunstungsrate erhöht.
So leicht kann man 10% der Kolonie verlieren und so einen großen Unterschied machen scheinbar unerhebliche Faktoren manchmal.
Ich könnte mir immer noch in den Hintern treten für diese Unachtsamkeit und überlegte mir, ob ich sie nicht noch ein Jahr zu Hause halten sollte, um sicherzugehen, dass sie fit sind und noch in der Zahl zulegen können. Sobald sie aus der Kälte raus waren, war aber klar, dass sie putzmunter sind und Platz habe ich ja eh keinen mehr. Letztes Jahr sind sie mir in der Arena Runden gelaufen und es stand fest, dass sie nun endlich nach draußen in ihr eigentliches Zuhause mussten.
Auch wenn es hier etliche tolle Habitate gibt, gestaltete sich die Suche nach der geeigneten Stelle schwieriger als ich zuerst annahm. Mehrere Faktoren mussten gegeben sein: Abgelegenheit, Sicherheit vor Waldameisen, größeren
Lasius-Kolonien und Wildschweinen, Vorhandensein potentieller Nahrungsquellen und natürlich sollte das Ganze ein möglichst minimaler Eingriff in die Natur sein. Über den Besitzer des Waldstückes weiß übrigens das Forstamt Bescheid, falls ihr mal eine Kolonie auswildern möchtet.
Es mag zwar banal klingen, aber ich habe bei der Suche festgestellt, Ameisen sind wirklich ÃœBERALL, kein Scherz! Kaum pikse ich die Erde an und es kommen mir Arbeiterinnen und
Brut entgegen. An einer scheinbar perfekten Stelle bin ich erst nach einigen Centimetern Erde auf den äußeren Rand einer
Chthonolasius-Kolonie gestoßen. Es war nur eine Arbeiterin, aber das war bereits genug und ich musste die Sache abbrechen.
Es vergingen Tage, die Arbeiterinnen waren fleißig damit beschäftigt, den Papierstopfen zu zerbeißen, bis ich sie schließlich "auf gut Glück" in eine Tasche packte und loszog. Ein paar Bilder zum Abschied durften natürlich nicht fehlen.
Ihre Königliche Hoheit, welche ich vor vier Jahren eingesammelt habe:
Das neue Nest:
Das alte Nest:
Ziemlich merkwürdig, mit einer ganzen Kolonie dieser Größe im Gepäck rumzulaufen und nach etwa einer Stunde der erfolglosen Suche im Zielgebiet wollte ich schon umkehren, fand aber schließlich genau das richtige - eine umgestürzte Kiefer inmitten einer kleinen Lichtung im Kiefernwald, weit abseits der Wege und keine Waldameisen oder sonstige größere Kolonien zu sehen.
Unter dem Wurzelstock des Baumes war die Erde grabfähig und unbewohnt, also rein damit:
Gut, dass ich ein längeres Stück Schlauch mitgenommen habe - so konnte ich die Nester gut zudecken, was nicht zuletzt starke Erwärmung durch die Mittagssonne verhindert:
Die ersten Schritte in der Natur:
Zahlreiche Arbeiterinnen wagten es, sich die neue Umgebung anzuschauen:
Abgesehen von der
Königin hat keine von ihnen jemals einen Fuß in den Wald gesetzt, aber sie schienen sich sofort ganz zu Hause zu fühlen und erkundeten direkt, natürlich sehr vorsichtig, die nähere Umgebung.
Camponotus ligniperda findet man hier im Pfälzer Wald selbst in den dunkelsten Ecken und gerade dort sind sie oftmals besonders präsent, aber ich habe mich doch eher am stereotypen, lichten Kiefernwald orientiert. Von
Aphaenogaster bis
Tetramorium findet man hier so ziemlich alles, bis auf
Cautolasius und andere, die es eher feucht mögen.
Ich habe mir vorgenommen, sie für den Anfang einmal wöchentlich zu besuchen und war vorhin da, um ein paar Schaben und Zuckerwasser vorbeizubringen. Zu meinem Erstaunen wird bereits an einem neuen Nest gearbeitet!
Weiter oben am Wurzelstock wird aus mehreren Öffnungen Erde herausgebracht und runtergeworfen. Ich habe auch ein (leider wackliges) Video, das ich morgen hochladen werde. Ich hätte sicher nicht erwartet, dass sie direkt ans Werk gehen werden, aber so sind sie eben - ein fleißiges Volk. Einen teilhaften oder vollständigen Umzug innerhalb dieses Sommers halte ich für sehr wahrscheinlich.
Während ich sie beobachtete, fiel mir auf, dass sich auch schon eine kleine Straße in Richtung eines anderen Stückes Totholz gebildet hatte, welches sie erkundeten, vielleicht nach Nahrung durchsuchten oder als mögliches Nest vormerkten. So neu, wie die Straße ist, läuft man darauf natürlich sehr behutsam und orientiert sich genau am Duftpfad.
Ich habe unzählige Male Ameisen in der Natur beobachtet, aber mit "meinen" Ameisen in der selben "Arena" zu sein, ist eine gänzlich neue Erfahrung.
Zu viele Bilder, also weiter im nächsten Post...