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Raubzüge der Amazonen

Berichte, Erfahrungen, Beobachtungen aus der Natur
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Hoffer
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#25 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von Hoffer » 18. Juni 2012, 09:19

Hallo Boro!
Danke für den Bericht, muß ich heute auch gleich mal nachsehen ob sich bei meinen was tut, vorige Woche herrschte noch Ruhe. Eine allgemeine Frage habe ich noch, bei den Serviformicas befinden sich noch jede Menge Geschlechtstierpuppen im Nest, werden bei den Raubzügen auch diese Puppen mitgenommen, oder "erkennen" die Amazonen den Unterschied?

LG Hoffer.


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Boro
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#26 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von Boro » 18. Juni 2012, 11:15

Bisher konnte ich feststellen, dass der Saisonbeginn der Raubzüge etwa mit dem Schwärmen der Geschlechtstiere bei Serviformica spp. zusammenfällt. Inwiefern Polyergus das "wissen" kann bzw. welche Parameter für den Beginn der Raubzüge relevant sind, ist nicht bekannt. Entweder zeigt die eigene Brutentwicklung an, wann es "Zeit ist" od. es ist so, wie Forscher in Italien herausgefunden haben, dass nämlich einzelne Scouts auch in die Serviformicanester eindringen (!) u. quasi die Volkstärke/Verteidigungsbereitschaft od. vielleicht auch die Brut(entwicklung) am späteren "Tatort" überprüfen.
Die Amazonen treffen dann vorwiegend auf Arbeiterinnenbrut.
Heuer ist das etwas anders, die Geschlechtstierpuppen bzw. alate Tiere werden aber nicht mitgenommen, eher die Larven v. Arbeiterinnen [Nebenbei: Formica sanguinea nimmt selbstverständlich alles mit, auch Geschlechtstiere u. deren Puppen].
Es gibt aber - wie immer - Ausnahmen: Beim besprochenen Raubzug konnte ich erstmals erkennen, dass eine Amazone eine alte (ausgefärbte) Arbeiterin mitschleppte, die jedenfalls noch quicklebendig schien. Später werden frisch geschlüpfte Arbeiterinnen hin und wieder mitgenommen.
Die Morphologie der Amazonen hat sich an den Transport der kleinen Arbeiterinnenpuppen angepasst: Das erkennt man, wenn man Polyergus von der Seite her beobachtet. Sie laufen "etwas aufrechter" als ihre Serviformica-Verwandtschaft. Ich gehe davon aus, dass die Vorderbeine im Verhältnis zu den anderen Beinen bzw. zur Gesamtkörperlänge insgesamt gesehen etwas länger sind. Diese Beobachtung habe ich bisher in keiner einzigen Literaturstelle entdecken können. Erstaunlich, dass das keinem der zahlreichen Polyergus-Forscher bisher aufgefallen zu sein scheint.
L.G.Boro



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Hoffer
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#27 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von Hoffer » 21. Juni 2012, 16:29

Hallo Boro!
Kaum reden (schreiben) wir darüber, hatte ich auch gleich die Gelegenheit zur Beobachtung. Und, ja es stimmt, der Grund warum die Polyergus keine Geschlechtstierpuppen rauben, hängt eindeutig damit zusammen, dass sie zum Transport einfach zu groß sind. Ich konnte gestern einen Raubzug beobachten, beim überfallenen Nest gab es einiges an Geschlechtstierpuppen (die Serviformicas haben sie selber aus dem Nest und in Sicherheit bringen wollen). Dabei konnte ich etliche male beobachten wie die Amazonen versucht haben diese zu entführen, aber es ist immer beim Versuch geblieben, da sie die Beute nicht vom Fleck gebracht haben und somit von den Serviformicas leichte Beute wurden.

Etwas sehr interessantes ist mir jetzt schon einige male aufgefallen (ich glaube ich habe mit Boro schon mal kurz darüber diskutiert): Kurz vor dem Abzug der letzen Amazonen vom überfallenen Nest, starten einige von ihnen regelrechte Rettungsaktionen um in Kämpfe verwickelte oder von Verteidigern fixierte Schwestern zu retten! Die "Retter" visieren direkt das Kampfgeschehen an und verursuchen durch sehr schnelle und ruckartige Bewegungen (ich kann das schwer beschreiben...) Verwirrung, daraufhin lassen die Formicas von ihren Gegnern ab und diese können fliehen. Wenn ihr die Möglichkeit habt einen Raubzug zu beobachten, bitte versucht darauf zu achten was am Ende mit den fixierten Amazonen passiert.

LG Hoffer.


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Boro
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#28 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von Boro » 3. Juli 2012, 21:42

Interessante Beobachtung, aber genau diese kann ich nicht bestätigen. Für mich sind sie Einzelkämpfer. Wenn es aber zu einem regelrechten Kampf kommt, den ich bisher nur mit F. rufibarbis einige Male beobachten konnte, dann ändern die Amazonen ihre Taktik und versuchen plötzlich jede Formica, auf die sie treffen, auch zu töten. Da kann es durchaus passieren, dass einmal 2 Polyergus eine Hilfsameise töten.
Diese eigenartige Verhaltensänderung kann auch nach dem Abzug der Streitmacht durch wenige, zurückgebliebene Amazonen weitergeführt werden. Das kann so weit führen, dass alle Serviformicas in Panik das Weite suchen, ihre Brut zurücklassen und nie mehr im Nest auftauchen. Diese Ereignisse sind aber sehr selten.
Zum "Trost" für alle Polyergus-Fans ein schönes Bild:
Bild
L.G.Boro

P.S.: Da fällt mir gerade ein: Durch die sehr zerstreuten Vorkommen dieser selten Art, ist der Genfluss über weite Strecken sicher unterbrochen. Man kann davon ausgehen, dass es u. U. regionale Sonderentwicklungen bei dieser Art gibt. Eine davon betrifft mehrere Meldungen aus D, dass dort vor allem F. rufibarbis die Rauzüge der Amazonen begleitet u. sich am Überfall beteiligt. Aus Italien (wo ein Forschungsschwerpunkt liegt) und Österreich gibt es dazu keine einzige Meldung. Im Gegenteil, ich stellte immer wieder fest, dass die Hilfsameisen anlässlich des Signals zum Ausmarsch, diesen Pheromonsignalen zwar mit großer Nervosität, aber sonst völlig hilflos gegenüberstehen.



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Boro
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#29 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von Boro » 3. Juli 2012, 22:07

Hallo Hoffer!
Hast du schon einmal schwarze od. fast schwarze Amazonen gesehen?
Vom obigen Beitrag
Bild 3:unterer Bildrand, li von der Mitte, etwas unscharf!
Bild 4:rechts, obere Ecke
Es gibt auch dunkelbraune Gynen, Bild 5: http://www.ameisenforum.de/fotoberichte/33281-k-niginnen-der-amazonen-fotobericht.html
Die schwarze, ostasiat. Polyergus samurai lässt grüßen!



chekucherapasq
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#30 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von chekucherapasq » 1. August 2012, 22:06

Boro hat geschrieben:Polyergus rufescens gehört zu den obligatorischen Sklavenjägern.Die Mundwerkzeuge (Maxillen und Labien) sind verkürzt, sodass die Amazone nicht in der Lage erscheint, selbständig Nahrung zu erwerben bzw. aufzubereiten. Die Mandibeln sind zu säbelartigen Zangen umgebildet, welche für den Kampf und den Transport von geraubten Puppen sehr gut geeignet sind, nicht jedoch für die Nahrungsaufnahme oder den Nestbau.Daraus folgt, dass Polyergus vollkommen von den Hilfsameisen abhängig ist. Nach der Nestgründung (eine Königin dringt in das Nest von Serviformica ein und tötet die dortige Königin)produziert die Königin nur Amazonenameisen, während die Zahl der Wirtsameisen durch natürlichen Ausfall ständig abnimmt. Um das Überleben des Staates zu sichern, müssen die jungen Amazonenkriegerinnen ab einer Zahl von etwa 150 bis 200 Tieren ausrücken, um neue Arbeitssklaven zu erhalten. Kundschafter rücken bereits um die Mittagszeit aus, um ein Nest von Serviformica auszukundschaften und legen schließlich auf dem kürzest möglichen Rückweg eine Duftspur. Zwischen etwa 14 Uhr und 18 Uhr und einer Temperatur von über 23 Grad beginnen die sonst im Nest wartenden Amazonen mit hektischer Aktivität:Zuerst laufen einige Amazonen scheinbar ohne erkennbares Ziel wild über das Nest, bald werden es immer mehr. Zwischendurch halten sie kurz inne und bestreichen mit den Hinterbeinen die Austrittsregion ihrer Pygidialdrüse, möglicherweise um diese für den bevorstehenden Angriff zu aktivieren. Die Hilfsameisen am Nest stehen dieser Entwicklung aufgeregt gegenüber, aber sie verstehen die Botschaft nicht.Ziemlich plötzlich wird die zuvor gelegte Duftspur aufgenommen und die Kriegerschar setzt sich in einer etwa 10cm breiten Kolonne in Bewegung. Die Entfernung des Marsches kann bei großen Populationen bis zu 80m betragen und verläuft immer fast geradlinig, unabhängig von Geländeformationen oder Bewuchs. Zwischendurch kann auch die Orientierung verloren gehen, das Gros der Angreiferinnen bleibt unschlüssig stehen, während einige ausschwärmen, um die Spur wieder aufzunehmen. Beim Zielort angekommen stürmt die ganze Amazonensschar durch alle Öffnungen in das Nest der Sklavenameisen. Die Überfallenen werden meist vollkommen überrumpelt und durch Propagandapheromone der Amazonen verwirrt. Einige Arbeiterinnen versuchen mit Puppen oder Larven zu fliehen, andere stellen sich zum Kampf. Die Amazonen beachten die Überfallenen nicht und wehren sich nur, wenn sie selbst attackiert werden. Mit ruckartigen Bewegungen versuchen sie die Angreifer abzuschütteln und einem längeren Kampfgesschehen auszuweichen. Im Notfall führen die säbelförmigen Mandibeln der Amazonen zu tödlichen Verletzungen bei den Angreifern. Nach der Plünderung des Nestes verlassen die Amazonen den Ort des Überfalles und kehren exakt auf der selben Route in weniger geordnetem Marsch zu ihrem Nest zurück, wo sie von ihren aufgeregten Hilfsameinen an den Nesteingängen erwartet werden.
Aber nicht jeder Raubzug endet erfolgreich: Wenn das Nest schon einmal überfallen wurde, bleibt die Beute gering. Wenn das Wetter umschlägt oder wenn die gelegte Duftspur schlecht markiert oder zerstört wurde. Oder, wenn ein falsches Nest überfallen wird, wie zum Beispiel eines von Raptiformica. Aber dazu demnächst mehr...

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#31 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von Boro » 7. August 2012, 16:01

Unglaublich: Der Thread beginnt im April 2004, damals sind ein paar Bilder verschwunden u. es gibt auch etliche schlechte Bilder, die noch mit der Bridge-Kamera gemacht wurden. Inzwischen habe ich (eingerechnet die Jahre vorher) weit über 250 Rauzüge beobachtet!
Ein Wahnsinn und der Mensch, der so etwas macht muss nicht nur enorm viel Zeit, sondern auch eine "Macke" haben. Das ist der Jagdtrieb, der einen Jäger immer wieder auf den Hochsitz führt oder zur Treibjagd verleitet: Erwartungshaltung, Anspannung, der Reiz des unbestimmten Jagdausganges, dann endlich die Aktion - stets mit Fotoapparat bewaffnet - der Schuss, das erfolgreiche Jagderlebnis, die Lösung der Anspannung...

Der langen Rede kurzer Sinn: Vorgestern erlebte ich wieder eine dieser spannenden Aktionen. Und wieder gab es eine heftige Auseinandersetzung anlässlich des Überfalls auf ein F. rufibarbis-Nest.
Sehr bemerkenswert, dass in der Fachliteratur von diesen Abwehrschlachten nie gesprochen wird, es gibt sie anscheinend nicht od. es ist einfach die sicher weit geringere Anzahl an Beobachtungen, die von den Fachleuten gemacht wurden. Ganz zu schweigen von den Niederlagen und der Flucht der Amazonen - gut, das sind allerdings sehr seltene Phänomene...

1. Überfall meiner Amazonenschar aus dem Polyergus X F. cunicularia X F. fusca-Nest (seit 14 Jahren beobachtet!!) mit etwa 400/500 Amazonen. Einst war es an anderer Stelle das größte je gefundene Polyergus-Nest mit gut 2000 Amazonen, die nicht selten zur gleichen Zeit sogar Überfälle auf 2 verschiedenen Zielnester wagten. Das Wirtsnest betraf F. rufibarbis und war ca. 19 m entfernt. Gelungener Überfall einschließlich Überraschungseffekt! Die Amazonen drangen in das Nest ein, erste Verteidigerinnen erschienen an der Oberfläche - etwas desorientiert, aber gleich zur Abwehr bereit.
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2. Während die Amazonen im Nest nach Beute suchten, erschienen immer mehr F. rufibarbis auf der Oberfläche. Ein wildes Durcheinander war die Folge. Ich wusste schon von vielen Erlebnissen: F. rufibarbis ist kein "Jausengegener". Das sind starke, kräftige Tiere, die es mit den Amazonen ohne weiteres aufnehmen können!
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3. Inzwischen sind sicher weit über 100 Verteidiger an der Oberfläche und sie stürzen sich wild entschossen auf die Angreifer. Die Wirkung der von Polyergus eingesetzten Propaganda-Pheromone scheint zu schwinden.
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4. Jetzt stürzen sich gleichzeitig mehrere Verteidiger auf die Eindringlinge:
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5. Detailaufnahme. Sieht nicht gut aus für die Amazone!
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6. Die Eindringlinge sind inzwischen ohne Beute abgezogen. Die fehlende Brut (vor allem Puppen, auch Larven) deutet darauf hin, dass das Nest vor kurzer Zeit bereits einmal ausgeraubt worden sein muss. Der Nesteingang wird massiv von Verteidigern abgeschirmt. Eine Amazone ist links oben noch zu sehen:
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7. Zahlreiche Verteidigerinnen wurden totgebissen, aber auch einige Amazonen mussten ihren Einsatz mit dem Leben bezahlen. Diese hier hat es geschafft: Auf einem Gras über dem Nest erfolgt die Reinigung vom anhaftenden Gift der Verteidiger!
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NuEM
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#32 AW: Raubzüge der Amazonen

Beitrag von NuEM » 7. August 2012, 16:12

Auch wenn es den insgesamt ja eher selten vorkommenden Polyergus rufescens sicher zu gönnen ist, kann ich doch nicht anders, als für die Verteidiger zu halten.



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