Eskapist hat geschrieben: ↑7. Juni 2020, 12:48
Die Plastiknester aus dem 3d-Drucker, naja, ich denke mal nĂĽtzlich sind die nur fĂĽr den Handelsbilanz des Herstellers, fĂĽr Ameisen, Halter und Umwelt gibt es definitiv besseres. Vom Acrylspielzeug ganz zu schweigen.
Die Ants pflastern die feinen Gazegitter im Boden zum Teil mit Trash zu, wenn ich richtig gesehen habe. Wirklich "sauber" sind diese Nester also auch nicht.
Meine tapezieren zur Zeit mal wieder Gipswände und Glasscheibe der unbenutzten Kammern mit Chitin-schrot, Seide und Kot. Stinkt ihnen die Sache selber, packen sie dann noch Aquarienkies zur "Versiegelung" drüber...
Welches Nest geeignet ist hängt sehr stark von der Ameisenart ab - es gibt sehr saubere Ameisen und echte Dreckschweinchen (Messor, Tetramorium). Die 3D-Drucknester funktionieren für meine Camponotus super, zugepflastert wird da nichts (die Gitter in den beiden letzten Nestern hab ich selbst mit Sandlehmmischung überstrichen, in kleinen Bereichen haben sie das sogar abgetragen). Dass Müll in Kammern im Nest gelagert wird ist völlig normal, das Problem hat man auch wenn sie direkt in der Arena nisten - irgendwann wird der aber auch rausgetragen. Im Falle eines Erdnests braucht man eine Bodenpolizei, sonst gibt es Milben und Schimmel.
Eskapist hat geschrieben: ↑7. Juni 2020, 12:48
Stehende Formicarien, bei denen man den Kleinen quasi "auf Augenhöhe" begegnet und nicht "von oben herab" in die Kammern blickt, sind für mich ein "muß".
Das ist Geschmacksache, ich schau eh nur alle 3-4 Wochen überhaupt ins Nest, da stört mich der Blickwinkel recht wenig (und die an die Nester angeschlossenen Wasser-RGs sind sogar "auf Augenhöhe").
Meine Freundin mag horizontale Nester auch nicht, deswegen haben ihre Myrmica eine Farm bekommen (wobei die Hälfte der Kolonie aktuell im Schlauch vor der Farm und auf dem Substrat der Farm lebt).
Eskapist hat geschrieben: ↑7. Juni 2020, 12:48
Dein "Konzept", die Anlage organisch/dynamisch dem Koloniewachstum anzupassen, spricht mich an, ist leider fĂĽr meiner-einer so nicht realisierbar, muĂź doch der Standplatz der Lieblinge (einheimische Art) zwischen Winter, Sommer, und (last but not least!!!) Schwarmstandort zyklisch wechseln...
Ja, mit Einheimischen ist das ein generelles Problem, wobei die sich am Ende der Saison ja ins Hauptnest zurĂĽckziehen. Viele Halter machen das ja z.B. mit Camponotus ligniperda so, dass sie das Hauptnest abtrennen und mit einer Miniarena kalt stellen.
Eskapist hat geschrieben: ↑7. Juni 2020, 12:48
Was das Futter, das du deinen Lieblingen anbietest, angeht, da zeigst du dich erstaunlich kreativ.
und einen Teil des Stickstoffbedarfs decken sie über die Harnstofflösungszugaben
wtf, was hab ich da ĂĽberlesen?
Camponotus haben einen einzelligen Endosymbionten (Blochmannia
sp), der ihnen erlaubt Urea zu verwerten. Es ist noch Gegenstand aktueller Diskussionen, was das genau bedeutet (Stoffwechselrecyling oder echte Stickstoffextraktion aus der Nahrung), aber eine neue Studie mit australischen Camponotus, die offenbar sogar Tierurin aus Sanderde extrahieren können, deutet doch eher daraufhin, dass es tatsächlich um Rohstoffgewinnung aus Nahrung geht.
Das ganze war ursprünglich eher ein Scherz im Laufe eines Vortrags über Blochmannia (O-Ton des Vortragenden "vielleicht sollten wir alle in unsere Ameisentränken pinkeln"), aus dem dann ein (bisher eher unwissenschaftlicher) Test wurde. Die Ergebnisse sind etwas durchwachsen, viele Camponotus nehmen Urin, Adblue, Vogelkot, Reptilienkot, Lösung aus Wasser und kristallinem Urea etc. extrem gut and und zeigen deutlich verstärktes Wachstum, andere wollen davon nichts wissen. Vermutlich ist der Bedarf von Art zu Art unterschiedlich und hängt auch mit der Koloniegröße und der restlichen Nahrung zusammen.
Ich füttere aktuell meine Schaben mit Katzenfutter, da Schaben ebenfalls einen Endosymbionten besitzen, der es ihnen erlaubt Stickstoffvorräte anzulegen (sogar soviel, dass sie Reptilien zuverlässig Gicht geben und sie im Extremfall umbringen können), die sind extrem beliebt.
Eskapist hat geschrieben: ↑7. Juni 2020, 12:48
Meine Inhaftierten werden strickt bei Wasser und Brot gehalten, sozusagen (Goldfliegen und mit Wasser 1:1 verdĂĽnnter Waldhonig).
Das ganze trifft auch nur auf Camponotini zu, andere Ameisen haben diesen Endosymbionten nicht. Es scheint auch so zu sein, dass bei Leuten, die ihre Camponotus ohnehin sehr breitgefächert füttern, der Bedarf geringer ist und unsere europäischen Camponotus da wohl weniger empfindlich sind - bei den amerikanischen Haltern haben viele das Problem, dass ihnen ihre Camponotuskolonien nach 3-4 Jahren kollabieren, das sehe ich bei uns eher seltener - meine Vermutung wäre, dass wir hier einfach besseren Zugang zu einer breiteren Auswahl an Futtertieren (vermutlich auch von besserer Qualität) haben und unsere Camponotus generell weniger sensibel sind.
Ich seh bei uns auch viel öfter Leute mit eigener Futtertierzucht als im englischen Sprachraum (das mag aber auch daran liegen, dass die nordamerikanischen Halter im Schnitt viel jünger sind und deren Eltern gerade bei solchen Dingen wie Schabenhaltung eher wenig Begeisterung zeigen), das könnte ebenfalls einen Effekt haben, da die meisten Leute ja auch ihre Futtertiere ziemlich verhätscheln.