gestern ging es auf den Schneeberg im Fichtelgebirge. Ein kleiner Geheimtipp in der Region, ist dieser Berg doch lange nicht so bekannt wie der stĂ€rker touristisch erschlossene Ochsenkopf. Nachdem, im Zuge des kalten Krieges, 1961 ein Fernmeldeturm der Bundeswehr errichtet wurde, der bis 1993 zu AufklĂ€rungzwecken genutzt wurde, wurde der Berg, der schon vorher im Nationalsozialismus und nach dem zweiten Weltkrieg von der US-Armee genutzt worden war, lange Zeit zur militĂ€rischen Sperrzone. (Quelle: https://www.fichtelgebirge.net/fichtelg ... schneeberg) Die Anlage auf dem Gipfel des höchsten Berges in Franken - dem "Dach Frankens", wie es auf einer Infotafel heiĂt - steht heute unter Denkmalschutz.
GroĂe Bereiche des Berges sind heute Natur- und Wasserachutzgebiete. Einerseits wegen der reichhaltigen Flora und Fauna und andererseits da das Fichtelgebirge einen wichtigen Anteil an der Trinkwasserversorgung der Region hat.
Viele selten gewordene Arten finden sich auf und um den Berg. Eines der wenigen geblieben Vorkommen des Auerhuhns in Deutschland, GartenschlĂ€fer soll es geben, ein groĂer Anteil der Kreuzotterpopulation im Fichtelgebirge und seit letztem Jahr auch eine Luchsdame. Die Luchsin "Julchen" wurde im letzten Jahr im Fichtelgebirge ausgesiedelt und streift seither durch das Gebiet.
Eine Kreuzotter (Vipera berus) habe ich tatsĂ€chlich auch entdecken können. Allerdings war sie zu scheu, um sich fotografieren zu lassen und kreuzte nur kurz die StraĂe. Das ist das erste Mal dass ich die einzige Giftschlange Bayerns zu Gesicht bekommen habe.
Ein bevorzugter Lebensraum von Kreuzottern sind ungestörte Schutthalden, wie es sie auch auf dem Schneeberg gibt: Eine zweite Giftschlangen Art gibt es in Deutschland ĂŒbrigens auch - die Aspisviper (Vipera aspis) kommt allerdings ausschlieĂlich ganz im SĂŒden des Schwarzwalds in Baden-WĂŒrttemberg vor.
Keine Schlange, aber ein anderes spannendes Reptil, konnte ich auf meiner Wanderung auch tatsÀchlich fotografieren. Eine Blindschleiche (Anguis fragilis):
Eine Kreuzotter zu sehen war einer GrĂŒnde, wieso ich auf diesen Berg wollte. Der andere waren aber natĂŒrlich die Insekten.
Auf den bis zu 1051m ĂŒ. NN waren vor allem Formica-Arten zu finden. Eindeutig identifizieren konnte ich davon nur Formica pratensis und F. truncorum, vor allem an lichteren Stellen oder am Rand des Waldes. NatĂŒrlich fanden sich auch einige Serviformica Nester. Zudem, nicht so dicht wie anderswo in der Region, auch Lasius und Myrmica.
Der Fokus lag allerdings bei diesem Ausflug auf den Schmetterlingen. Deswegen habe ich mich nicht allzu sehr mit der Ameisenfotographie aufgehalten.
Aufgrund der relativ ungestörten Umgebung und der vielen SchutzflĂ€chen finden sich zahlreiche Schmetterlinge, die sich auf den blĂŒhenden FlĂ€chen oder auch einzelnen Roten FingerhĂŒten (Digitalis purpurea) an den WegrĂ€ndern sammelten.
Direkt am Beginn des Weges zum Gipfel gab es schon einiges zu sehen.
Eine Art, die jedem bekannt sein sollte, landete als erstes vor meiner Linse. Tagpfauenaugen (Aglais io) gibt es so ziemlich ĂŒberall in Deutschland, aber das war schon ein sehr hĂŒbsches Exemplar:
Eine weitere recht hĂ€ufige Art, die man fast in ganz Deutschland antreffen kann und die sich gut fotografieren lieĂ, ist der Rostfarbige Dickkopffalter (Ochlodes sylvanus). Diese kleinen Falter sitzen oft relativ ruhig auf verschiedensten BlĂŒten - nach meiner Erfahrung besonders hĂ€ufig lila- und pinkfarbige - und sind hierbei von weitem nicht von anderen Dickkopffaltern unterscheiden. Bei genauerem Hinsehen zeichnet sich die Art allerdings dadurch aus, dass ihre FĂŒhlerenden mit einer kleinen, abgeknickten Spitze versehen sind.
WĂ€hrend des Aufstiegs zeigten sich mir mehrere Arten, die ich bisher erst selten oder gar zum ersten Mal sah. Die drei der folgend beschriebenen Arten waren auf dem Weg zum Gipfel immer wieder anzutreffen.
ZunĂ€chst zeigten sich mir schöne Braunaugen (Lasiommata maera) - nicht zu verwechseln mit dem Ă€hnlich aussehenden Mauerfuchs (Lasiommata megera) - fĂŒr deren Raupen verschiedene SĂŒĂgrĂ€ser wichtige Futterpflanzen darstellen. Die Art steht bisher auf der Vorwarnliste, zeigt aber lokal einen recht starken RĂŒckgang.
Auf derselben Wiese gab es einige Wachtelweizen-Scheckenfalter (Melitaea athalia). Die Art ist zwar (mit Ausnahme des Nordwestens Deutschlands) relativ weit verbreitet, gilt aber als gefĂ€hrdet und zeigt ebenfalls einen starken RĂŒckgang. Wie der Name es bereits andeutet, Wachtelweizen (Melampyrum) sind Raupenfutterpflanzen dieser Art, wobei auch beispielsweise Spitz-Wegerich (Plantago lanceolata) und der bereits genannte Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) genutzt werden.
FĂŒr beide Arten herrschen Ă€hnliche GefĂ€hrdungsfaktoren. Nutzungsaufgabe und folgende Sukzession können zu einem Lebensraumverlust fĂŒhren, da fĂŒr beide Arten Schlag- und Waldschneisen wichtige Habitate darstellen.
Gleichzeitig fĂŒhrt aber auch die Intensivierung von Forstwirtschaft zu einer GefĂ€hrdung dieser Arten, da zum Beispiel in Folge starker Aufforstung hĂ€ufig die Bodenvegetation abnimmt. GrundsĂ€tzlich kann man also sagen, dass die VerĂ€nderung der Bewirtschaftung von WĂ€ldern einen groĂen - wenn nicht gar den gröĂten - GefĂ€hrdungsfaktor fĂŒr diese Arten darstellt.
Die dritte hervorzuhebende Art ist der WeiĂbindige Mohrenfalter (Erebia ligea). Es spielen verschiedene GrĂ€ser eine Rolle als Raupenfutter. Besonders spannend ist, dass die Entwicklung der Raupe sich hier ĂŒber zwei Jahre erstreckt. Neben dem Zuwachsen lichter WĂ€lder spielen zunehmend auch milde Winter eine Rolle bei der GefĂ€hrdung. In den letzten Jahren fehlte immer hĂ€ufiger die Schneedecke im Winter, was ĂŒberwinternden Raupen zum Nachteil wird.
Und auch wenn man meinen wĂŒrde dass fehlende Schneedecken im Fichtelgebirge kein Problem darstellen sollten, auch in hier nahm die Schneemenge in den letzten Jahren immer stĂ€rker ab.
WÀhrend vor 60 Jahren noch in 500-600 Metern Höhe Schneesicherheit vorlag ist dies heute nur noch ab 900 bis 1000 Metern der Fall. (Quelle: https://www.nordbayern.de/region/pegnit ... 1.10740260)
Zum Nachteil von Mensch und Tier. Arten, die auf Schneedecken zur Ăberwinterung brauchen, werden in immer höhere Lagen ausweichen mĂŒssen und der Wintersport im Fichtelgebirge wird nicht mehr möglich sein, wenn sich dieser Trend fortsetzt und durch den Klimawandel wohl nur noch weiter verschĂ€rfen wird.
[Angaben zu Verbreitung, GefÀhrdung und Biologie einzelner Falterarten nach "Verbreitungsatlas der Tagfalter und Widderchen Deutschlands", 2020, Ulmer Verlag, Stuttgart]
Ich hoffe der Bericht, der doch etwas lĂ€nger geworden ist als gedacht, hat dem ein oder anderen gefallen. Wer mal in der Region ist und Gefallen daran hat eine wunderbare Vielfalt an Tieren und Pflanzen zu bestaunen, oder aber die alte Bundeswehranlage einmal von auĂen anschauen will, dem kann ich eine Wanderung auf diesem Berg (natĂŒrlich unter strenger Einhaltung des Wegegebots!) besonders im Sommer nur empfehlen.
Wie so oft hat dieser Ausflug mal wieder gezeigt: es muss nicht zwingend weit weg gehen, um Spannendes zu finden!
Viele GrĂŒĂe
Ameisenstarter
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